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              Die düstere Moritat vom Schwarzbachtal

Im bergigen Tirolerland,
am Fuße der Karwendelhöhn,
wo dickes Moos die Erd bespannt,
und Winde schrill durch Schluchten weh’n,
liegt Schwarzbach, das noch letztes Jahr
voll Frohsinn und Zufriedenheit war.

Man lachte und man schuftete,
des Abends beschwingt nach Hause fuhr.
Das Dorf war schön und duftete
nach Kühen, Glück und Freude nur.
Kein Dörfler hat sich je beklagt,
hat je nach Gottes Hilfe gefragt.

Doch als bei klarer Frühlingsnacht
das ganze Städtchen friedlich schlief,
geschah, woran niemand gedacht:
ein Mensch voll Angst um Hilfe rief!
Ganz furchtbar war es anzuhör’n,
durch Mark und Bein schien es zu gehn!

Der Dorfanger war bald gefüllt
von bleichen, ängstlichen Gestalten.
Der Pfarrer, sonst so ruhig und mlld,
er zitterte beim Händefalten.
Der Bürgermeister, tief betroffen,
schwankte herum, fast wie besoffen.

Den Suchtrupp führte der tapfre Gendarm,
die Gattin mit Nudelholz gleich hinterher,
drauf folgte, wie ein zittriger Schwarm
das Dorf samt Freiwill’ger Feuerwehr.
So erreichte man den Waldesrand
als man der Müllerin Leiche fand.

Die Arme verdreht, ihr Körper blutig,
gar lange hat sie sich gewehrt.
Einst war sie fröhlich, schön, anmutig,
jetzt lag sie still auf feuchter Erd’.
Entsetzen überkam die Leut‘,
wie fortgewischt der Jahre Freud’.

Und dies war nicht das letzte Opfer,
noch weit’re kamen bald dazu:
der Schmied, der Blinde, der Pfeifenstopfer
fanden im Wald die ew‘ge Ruh.
Dann folgte, kurze Zeit später schon,
des Bürgermeisters einz’ger Sohn.

Man stellte sich voll Furcht und Pein
nur eine Frage Tag und Nacht:
„Wer kann der Unhold denn bloß sein,
der so viel Unglück uns gebracht?“
Und da der Name nicht bekannt,
ward er „Der Würger“ bald genannt.

Schließlich befahl der Gemeinderat –
denn er durchschaute den Bösewicht –
aus Angst vor der ruchlosen Tat
nur auszugehen bei Tageslicht.
Und jedermann, ob groß ob klein,
versprach, des Nachts zu Haus zu sein.

Die Nacht fällt ein ins Schwarzbachtal,
allmählich geh’n die Lichter an.
Und hoch am Himmer, bleich und fahl,
beschreibt der Mond jetzt seine Bahn.
Kein Mensch noch aus dem Haus sich traut;
man weiß: der Unhold ist durchschaut!

Im letzten Haus am Dorfesrand
lebt ganz allein ein altes Weib.
Man hat sich auch an sie gewandt,
dass sie ja nur zu Hause bleib!
Gehorsam schließt die Tür sie zu,
Und geht danach sogleich zur Ruh.

Zur gleichen Zeit im dunklen Wald
erkennt man einen schwarzen Schatten.
Der „Würger“ ist’s, und er wird bald
dem Weibe einen Besuch abstatten.
Vorsichtig schleicht er jetzt zum Haus
und lockt die alte Frau heraus.

Man sieht sie klar vor weißer Wand –
der „Würger“ zieht mit viel Geschick
hervor ein breites, starkes Band
und wirft’s ihr flugs über’s Genick.
Nichts ist zu hör’n,ein Keuchen bloß,
und schon ist sie ihr Leben los.

Der Schreck war für das Dorf zu viel!
Da Tod und Unglück man hier fand
zogen alle fort mit Stumpf und Stiel,
verkauften ihr geliebtes Land.
Und einer an sein Haus noch schrieb:
„Der Würger war’s, der uns vertrieb!“

Doch ist das Dorf nicht ganz allein,
denn der’s gekauft, blieb froh zurück.
Wie sollte er auch traurig sein,
fand er doch hier sein ganzes Glück!
Des Abends liegt in seiner Hand,
ein breites, abgenutztes Band.

 

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