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                                    Der V.z.R.d.d.S.

Die Hall of Champions der Berliner Sports Arena, des 2049 auf dem Olympiagelände im novogotischen Stil erbauten Meisterwerks modernster Revival-Architektur, war restlos überfüllt. Jeder einzelne der fast zehntausend Passform-Sitze war besetzt, und auch draußen, vor dem riesigen Mega-3D-Projektionskubus über den Eingangstoren, hatte sich eine vielköpfige Menschenmenge versammelt.

Dieses gewaltige Interesse war nicht etwa einem Eishockeyspiel oder Dartsturnier zu verdanken – nein, heute war die Sports Arena für die Sonderveranstaltung eines Vereins gemietet worden. An diesem Abend wollte das Publikum einem Vortrag von Frau Dr. C. Helms lauschen, der Vorsitzenden des „Vereins zur Reinigung der deutschen Sprache“, gemeinhin zu VzRddS abgekürzt. Nachdem die Rednerin bereits fünf andere deutsche Städte aufgesucht hatte, war sie zum Abschluss ihrer Reise nun in die deutsche Hauptstadt gekommen, um hier Rechenschaft über die Erfolge des Vereins im zurückliegenden Geschäftsjahr abzulegen und die künftigen Planungen zu umreißen. Wenn Frau Dr. Helms dabei dann auch gleich auf die Motive einging, die vor einigen Jahren zur Gründung des VzRddS geführt hatten, dann richtete sie diese Argumentation wohl vornehmlich an jene Zuhörer, die noch immer nicht zu den Mitgliedern des inzwischen millionenstarken Vereins zählten.

Als die in einen hip-Blue-White-Style Monosuit gekleidete Vereinsvorsitzende das Podium betrat und auf das Rednerpult zuschritt, erfüllte das begeisterte Klatschen, Johlen und Getrampel der Zuschauer auch den allerletzten Winkel der prachtvollen novogotischen Halle. Der Wilkommensapplaus dauerte mehrere Minuten unvermindert an, während denen die Referentin sich immer wieder nur dankbar verneigen und mit ihren Händen triumphierend über dem Kopf herumwinken konnte. Erst dann verebbte das Geklatsche und Gejohle allmählich, und nach und nach setzten sich die Zuschauer und richteten ihre erwartungsfrohen Blicke auf die Frontfrau des VzRddS.

„Grandiose Audienz!“, begann Frau Dr. Helms mit ihrem strahlendsten Zahnpastalächeln. „Nachdem ich in den Backweeks schon diverse Cities visitiert habe, bin ich jetzt overhappy, auch in unserer Capital, in dieser formidablen Location, zu Euch parlieren zu können. Es ist ever und ever ein high level Feeling, diese warmheartige Berliner Atmosphäre enjoyen zu dürfen!“

Wie nicht anders zu erwarten, schwoll nach diesen Worten der Beifall ihrer Anhänger, begleitet von fanatischen „Oh yes!“- und „Welcome!“-Rufen, derart an, dass die Rednerin eine Pause einlegen musste und währenddessen mit siegessicherem Grinsen gelegentliche „Daumen hoch“-Gesten zu manchen Zuschauern in den ersten Reihen machte. Erneut dauerte es eine ganze Weile, bis der Lärmpegel so weit gesunken war, dass er von den High Level Surround Sound Speakern der ultramodernen Halle übertönt werden konnte, und erst dann versachlichte sich das eben noch lächelnde Gesicht der Vortragenden, ehe sie sich mit großem Ernst erneut an ihr Publikum wandte.

„Seit multiplen Dekaden ist ein katastrophales Development in unserer Lingua Germanica zu konstatieren. For sure ist es Ihnen obviös, dass unser Vokabular – yesteryear so poetisch und picobello – seinen kaum stoppbaren Trend zum Estrangement kontinuiert hat. Over the centuries wurde es latinisiert, romanisiert, anglisiert und durch Akquise von Fashion Words influenziert. Diese Penetration, die schon vor dem Year 2K existierte aber much later kulminierte, kennt evidenterweise kein Finale. Das Sinistre dieses Developments ist seine Sekrezie, jene under cover Penetration, die partweise nur von Archäolinguisten identifiziert werden kann, während Psycho- und Soziolinguisten oder Pädagogen es weder instinktiv noch intuitiv rekapitulieren können. Did you know, mein exzellentes Publikum, dass Expressionen wie Humanität, Deadline oder Certäntität unserer Lingua negativ memberieren? Und dass sich die Quantität germanophober Expressionen seit den Swinging Sixties der Beatles-Generation tripliert hat?“

Ein erregtes Gemurmel durchlief die große Halle, und unterdrückte Ausrufe wie „Uncroyabel!“, „negativ possibel!“ und „diminuiert probabel“ waren zu hören. Die Vereinsvorsitzende ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen und setzte ihre Rede unbeirrt fort.

„Als Benchmark für dieses Assessment hier die zelebrierte Roadmap eines Politikers:

    • Aus dieser Win-win-Situation nach dem suboptimalen Shitstorm muss ein Paradigmen Change im globalen Foreign Trade Development resultieren, das im Instant unestimabel appariert, doch durch unsere Task Force minimalerweise mit dem Gain aus der antezedenten Polymerisationsproduktkrise komparieren und eine sozialkompetente Work-Life Balance induzieren wird!
  • Sounds easy – aber: eine komplette Analyse demonstriert, dass 100 Prozent aller Substantive, Vollverben und Adjektive germanophob sind und unserer Mother Tongue negativ memberieren!“

Eine kaum beschreibliche Reaktion folgte diesen Worten – unterstützt von den TV-Spezialisten an den 3D-Kameras, die die Menschen in ihrer Nähe zu ganz besonders ausdrucksstarken Gesten animierten. Und so gab es Zuschauer, die erregt aufsprangen und sich die Haare zerwühlten, sowie andere, die laut aufschrien und ihren Nachbarn entsetzt an den Schultern packten und durchschüttelten, einige weitere, die laut brüllend in der Gegend herumliefen oder sich gar weinend auf dem Boden wälzten, und schließlich die große Mehrzahl der Besucher, die wie erstarrt auf ihren Stühlen hockten und blicklos und entsetzt zum Podium starrten. Diese panikähnlichen Zustände dauerten so lange an, bis Frau Dr. Helms auf dem Podium mit beiden Händen deutliche „Cut“-Gesten machte – also markige Handkantenschläge durch die Luft. Erst dann kam das Publikum allmählich wieder zur Ruhe, und die Vorsitzende konnte zur Lobeshymne auf ihren Verein ansetzen.

„Wir – id est der VzRddS – haben uns konsequent und kompetent auf diverseste Aktionen konzentriert, um retrokausale Effekte zu stimulieren.“ Nach diesen einleitenden Worten legte sie eine kurze Pause ein, ließ einen entschlossenen Blick über die vorderen Reihen und dann die gesamte Halle gleiten, und schlug schließlich mit der Faust auf das Pult, während sie mit triumphierend erhobener Stimme ausrief: „Wir werden es nicht admettieren, dass dieses Development kontinuiert! Wir werden das penetrante Estrangement interruptieren und die Recovery unserer nativen Lingua re-induzieren!“

Der Beifallssturm, der diesem kernigen Versprechen folgte, ließ die Sports Arena in ihren Grundfesten erzittern. Ein Mann mit einem Blumenstrauß in der Hand drängte sich zwischen den Ordnern – pardon, der Security – durch, sprang auf das Rednerpodest und drückte der Vereinsvorsitzenden die Blumen in die Hand und einen Kuss auf die Wange. Diese Szene wurde auch von den 3D-Kameras festgehalten, so dass die Zuhörer drinnen und draußen, gerührt durch dieses liebenswerte Zwischenspiel, noch ekstatischer in die Hände klatschten und Frau Dr. Helms zujubelten. Doch schließlich ging auch dieser begeisterte Applaus in ein leiseres Gemurmel und vereinzeltes Geklatsche über, so dass die Rednerin mit ihrer Bilanzierung fortfahren konnte.

„Ihr Feedback auf unser Commitment, exzellente Members und Non-Members, war grandios. Denn today soundet die Devise: Game Over und Ground Zero, ihr germanophoben Expressionen! Back to the Roots – beim Talken und beim Diskutieren, beim Chatten und beim Chillen, beim Family Chat beim All You Can Eat im Restaurant oder beim Spaghetti-To-Go at home! Thanks to you war die Success Rate dieser Agenda exorbitant und evident all over die German Speaking Community! Es dominiert das Feeling eines Wind of Change, in Publikationen, TV Talks und in Sentenzen von Autoren und Journalisten. Thanks to you ist das Bashing unserer originalen Artikel, Pronomen, Konjunktionen und Auxiliärverben finished: ob ‚my‘ oder ‚mein‘, ob ‚have Fun‘ oder ‚habt Fun‘, ob ‚be happy‘ oder ‚sei happy‘, ob ‚and‘ oder ‚und‘ – that’s all ok! Und thanks to you evolvierte ein additives Fringe Benefit: in Korrespondenzen disapparierten obskure Strukturen wie“, hier deutete die Rednerin auf große, über ihren Kopf projizierte 3D-Symbole, „10q, 2l8, oder 4u, die long ago in obsoleten Medien wie SMS, Facebook oder Twitter kreiert wurden. Aktuell sind – Bingo! – korrekte Inputs wie ‚Thank you‘, ‚Too late‘ oder ‚For you‘ (noch besser: ‚für you‘) wieder akzeptiert und cool!“

Den höflichen Applaus, der diesem Erfolgsbericht – ähem, Success Report – einen eher stockenden Beifall zollte, wischte Dr. Helms mit einer lässigen Handbewegung beiseite und setzte ihre Rede ohne Pause fort.

„Unsere Efforts werden honoriert, denn der VzRddS prosperiert: in der letzten Dekade hat sich die Membership dupliziert, mit einem Increase auf zweieinhalb Millionen Members! Unsere Adherenten sind everywhere today, in der Industrie, der Administration und im Government. Die Progressive Partei, die am Fulfillment unserer Targets partizipiert, war der Highperformer der letzten Elektion und hat die Majorität beim Voting im Parlament acquiriert. Bereits beim Launch ihrer ersten Initiative sukzedierte die PP mit dem Re-establishment der ‚Großschreibung‘ – das ist Kapitalisierung, you know – und als Future Projekt ist die Publikation des Germanophil-Dictonaries als Single Reference Work der Orthografie und Edukation envisagiert! Und dabei werden wir, die People vom VzRddS, der PP mit Full Power assistieren!“

Erneut wurden ihre Worte von gedämpftem, anerkennendem Beifall belohnt. Inzwischen rutschten bereits viele Zuschauer ungeduldig in ihren Komfortsitzen hin und her, denn an so lange Reden ohne Werbepause zwischendurch waren sie nicht gewöhnt. Dies wusste auch die Referentin, die nun allmählich zum Schluss kam.

„Alle Interested Parties können sich intensivst informieren über die prekäre aktuelle Situation und über die Ways and Means, wie wir die Counteraction handlen wollen – auf den Flyern des VzRddS, auf unseren Hearings, und auf den relevanten Links unserer Homepage. Und wenn Sie die Problematik korrekt gescannt haben, dann visitieren Sie unsere Megademo next weekend am Brandenburg Gate! Oder, much better: Join our Verein! Come zu uns! Werde Member des VzRdds! Ihr Support ist necessitiv für das Achievement unserer Intentionen! Kein Power Napping für No One –  let’s fight together, als Single Community! Mit Eurer Help achieven wir den Jackpot – Down mit dem Estrangement der Lingua Germanica! Und Up mit dem New Way of Life durch den Talk mit germanophilen Expressionen! Up for ever mit dem VzRddS!”

Wie ein gewaltiger Vulkan explodierte der Beifall nach diesen Worten und erfüllte die Halle mit ohrenbetäubendem Lärm. Auch draußen vor der Halle schrien, brüllten und jubelten die Zuschauer, und Scharen von Ersthelfern vom German Red Cross waren unaufhörlich damit beschäftigt, den Schwachen zu helfen, die vor Begeisterung oder Erschöpfung zusammengebrochen waren. Noch Stunden später war die ganze Gegend um die Sports Arena von unzähligen Grüppchen fanatischer Vereinsanhänger erfüllt, die berauscht und erregt die Worte der Vorsitzenden diskutierten. Erst am späten Abend, als auch der letzte Begeisterte per Underground oder Elektrocar verschwunden war, konnten die Beamten der City Police müde und erschöpft den Stadionbereich verlassen und back home fahren.

Am nächsten Tag war ein großer Andrang von Beitrittswilligen bei den Berliner Vertretungen des VzRddS festzustellen, und der Verein konnte am Abend stolz von viertausendfünfhundert neuen Mitgliedern berichten – eine weitere Big Success Story im Fight gegen das Estrangement der Lingua Germanica!

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